November 2000:

Keine neue Quietscheente und der Herr KaLeu Brotzke

Letzte Woche, ich glaube es war Dienstag, saß ich mit meiner neuen Quietscheente in der Badewanne. Eigentlich ist meine neue Quietscheente gar keine, denn eine Quietscheente hatte ich schon lange. Meine neue Ente quietscht gar nicht, aber dafür kann sie schwimmen und ist blau, während ihre quietschende Artgenossin gelb ist und beim Schwimmen kentert. Interessant ist es, an dieser Stelle kurz innezuhalten, um festzustellen, dass das Wort "kentern" ganz eindeutig das Wort "Ente" enthält, während "schwimmen", was einer Ente ja an sich als Freizeitbeschäftigung viel näher liegt, nichts dergleichen von sich behaupten kann. Sollte aber jetzt einer rufen: "Aha, 'enthält', was mag nun das mit Enten zu tun haben?" Dann sage ich diesem nur, wir wollen es nicht übertreiben, Ungestümer, darum geht es doch gar nicht.

Weder handelt diese unglaubliche Geschichte nämlich von Enten noch von dem lecker duftenden Kräuterbadeschaum in meiner Wanne. Obwohl in "Kräuterbadeschaum" bestimmt ganz viele tolle andere Wörter enthalten sind, und wer mir welche davon schicken möchte, der kann das auch gerne tun.

In Wirklichkeit geht es hier um jemand ganz anderen, den ich gleich vorstellen werde. Als ich da also in meiner Badewanne mit Kräuterbadeschaum, Kenterente und Schwimmente lag und meine Knie wie immer lustig aus dem Schaum hervor lugten, da kollidierte doch unverschämt unverhofft etwas metallisch kühles mit meiner Bauchnabelgegend. Bevor ich mich noch ordentlich wundern, in Panik ausbrechen oder wenigstens "Huch, was war denn das?" rufen konnte, war schon ein in etwa salatgurkengroßes U-Boot aufgetaucht. Da war es dann schon viel zu spät, um noch "Huch, was war denn das?" zu rufen. Denn nun wusste ich ja einerseits womit ich es zu tun hatte und war andererseits völlig sprachlos, was sonst gar nicht meine Art ist.

Und wie ich da so sprachlos in der Wanne lag und das U-Boot anglotzte, was vermutlich insgesamt nicht gerade vorteilhaft aussah, da öffnete sich auch schon die etwa radieschenscheibengroße Luke des Bootes. Heraus stieg ein Männlein in einer dunkelblauen Uniform, dessen Größe ich nicht mit Gemüsevergleichen beschreiben werde, weil das jetzt wirklich ausgereizt ist. Das Männlein unbestimmter Gemüsegröße marschierte strammen Schrittes an den Bug seines U-Bootes, sah inspizierend in meinen Kräuterbadeschaum, marschierte ans Heck, tat dort das gleiche und schaute mich schließlich an.

Da der Herr (nicht DER Herr - der kleine von eben) nun gerade aus einer U-Boot-Luke geklettert ist, und sich in der Lage sieht, "stramm zu marschieren", kann ich mir hoffentlich weitere Beschreibungen wie "wettergegerbtes Gesicht, graumelierter 5-6-Tage-Bart", etc.sparen – das kriegt hoffentlich jeder selber hin. Der wettergegerbte, kleine Mann (ungefähr so groß wie ein eingelegtes Maiskölbchen übrigens) sah mich also an, salutierte mindestens so stramm wie er marschiert war, schlug die Hacken zusammen und rief zu mir hinauf: "KaLeu Brotzke zu Ihren Diensten. Boot ist bis auf leichte Verschäumungen einnsatzbereit."

Und falls jemand meint, dass die Kurzform von "Kapitän-Leutnant" sich anders schreibt, mag er Recht haben, und kann sein Recht gerne behalten - und zwar für sich.

Meine komplette Verdatterung machte nun rapide einer Art surrelaen Nonchalance Platz. Ich salutierte ebenfalls so stramm wie das zwischen Kräuterbadeschaum und aus Gummi gefertigten Enten verschiedener Farben und Fähigkeiten eben möglich ist. Das Zusammenschlagen der Hacken ließ ich dabei weg, da es den Herrn KaLeu wohl doch in Seenot, oder Wannennot, gebracht hätte.

"KaLeu Brotzke," sprach ich, "ich weiß nicht wie es Sie in diese Gewässer verschlagen konnte, aber wenn Sie mir schon Ihre Dienste antragen, teilen Sie mir doch mit, wofür das Boot ausgerüstet ist."
Der KaLeu entgegnete: "Spähen und Kundschaften auf Schleichfahrt. Vor dem Feind, neben dem Feind, hinter dem Feind – immer mitten rein in die Scheiße, wieder raus und berichten."
Nun gut, mitten rein in die Scheiße also, dachte ich und sagte zum KaLeu: "KaLeu Brotzke, vor einer Woche verlor ich eine Träne. Sie fiel mir in den Abguss. Heute weiß ich, dass ich die Träne nicht hätte vergießen sollen. Finden Sie diese Träne für mich und erstatten Sie Bericht." Als Brotzke nun wiederum salutierend "Zu Befehl" brüllte, in die Luke sprang, mit dem Boot abtauchte und beim Ablassen des Badewassers spurlos verschwunden war, wunderte mich das eigentlich schon nicht mehr. Ich ging davon aus, ihn nie wieder zu sehen.

Genau eine Woche später, ich hatte mich gerade zum Präventivurinieren vor einer längeren Autofahrt aufgestellt, gluckerte es in der Schüssel und Brotzkes Boot tauchte in meinem Klosett auf. Das Boot sah übel aus. So, wie ein Boot nach einer Woche in der Kanalisation wohl aussieht, obwohl ich damit recht wenig Erfahrung habe. Der KaLeu kletterte aus der Radieschenluke seines Bootes, salutierte recht müde und meldete: "KaLeu Brotzke meldet: Keine Spur von der Träne. Massenweise Ratten, Unrat und Scheiße aber keine Tränen. Ich bitte nunmehr mit meiner Mannschaft Kurs auf die Heimat setzen zu dürfen."

Ich muss gestehen, dass ich nur stumm nickte und sowohl das Salutieren wie auch jegliche Worte vergaß. KaLeu Brotzke schlug die Hacken zusammen, sprang zackig in seine Luke, und das Boot war flugs verschwunden.

Ich vergaß zu pinkeln und musste an der zweiten Raststätte raus. Trotzdem bin ich froh, den KaLeu Brotzke getroffen zu haben. Ich selber hätte sicher nicht eine Woche in der Scheiße nach der verlorenen Träne gesucht.

Aber ist es nicht gut, dass es noch solche wie den KaLeu gibt, die so etwas für einen tun?


 

Und wer jetzt anfängt nach der Moral zu suchen, ist selber Schuld.