April 2006: "Buddha" oder "Du in der Hose" In unserer immer materialistischer gewordenen, entspiritualisierten Leistungsgesellschaft fand im Jahre Null des total-ökumenischen monopolytheistischen Kalenders die spirituelle Revolution statt. Fleisch gewordene Vegetarier bescherten der Wiedergeburt eine Renaissance. Alles irgendwie total Materielle wurde auf dem großen Revolutionsaltar allem irgendwie total Spirituellen geopfert. Kein Glaube sollte fortan mehr verfolgt, eingeschränkt oder auch nur belächelt werden. Selbst das Kreuz mit den Fischen auf den Autos gehörte plötzlich nicht mehr zu den Peinlichkeiten, sondern zum guten ultratoleranten Gesamtglaubenston - wenn man davon absieht, dass Autos natürlich sowieso abgeschafft und durch Geistreisen ersetzt worden waren. Der ultraspirituelle Gesamtfarbrton wurde übrigens während der Revolution in einem 6-wöchigen Globalfasten ermeditiert: Nach Kosma Shiva hielten auch Vornamen wie Jesus, Mohammed, Brahma, Buddha, Abraham, Manitou und Lu-Wanda wieder Einzug in alle Gesellschaften. Besonders beliebt waren direkt nach der Revolution Doppelnamen wie etwa Aaron-Mohammed, Maria-Fatimah oder Jesus-Manitou. Und all diese Brüder und Schwestern schickten sich nun täglich die neuesten Weisheiten des Rabbi Imam Dalai Lama Papst Obershamanen. Und das natürlich nicht per E-Mail, sondern durch Gedankenübertragung. Um das Wort eines geistlichen Oberhauptes oder Vordenkers oder -beters zu vernehmen, traf man sich in katholischen Moscheen, Bhagwan-Synagogen, Wishnu-Kirchen, Antroposophen-Tempeln oder einfach irgendwo draußen. Denn eigentlich war so ziemlich jeder Stein, Baum, Brunnen, See, Fluss, Berg und Himmelskörper für heilig oder mindestens für irgendwie total spirituell erklärt worden. Und auch geistliches Oberhaupt war eigentlich irgendwie jeder. Kraftvolle Edelsteine an den Hälsen und Händen der Gläubigen und geistfördernd platzierte Möbel in allen Kommunen, führten zu einem regelrechten Transzendentalenergie-Smog. Einzudämmen war dieser nur durch das Errichten eines weltweiten Zehn-Meter-Rasters von Mobilfunksendemasten. Derartige Eindämmungen der Überspiritualität waren vor allem wichtig, weil die Krankenhäuser und vor allem auch die Geistheiler-Tempel längst überfüllt waren mit den Opfern der grassierenden Bachblütenvergiftung, den homöopathisch überdosierten Kügelchenjunkies, den zahlreichen Männern wie Frauen mit starken monatlichen Meditationsbeschwerden, stark Rosenkranzbefallenen, Ayuvedapititis-Patienten, zwanghaft Kniefallenden, manischen Lächlern, ältlichen Mekka- und Medina-Tanten, und der einen oder anderen verlorenen Seele. Selbst McDonalds verlegte sich in dieser zeitlosesten Zeit aller Zeiten auf das Geschäft mit Runensteinen, Traumfängern und Heilkräutern - da war viel mehr Geld drin als in Bulettenbrötchen, und die Tierhaltung bzw. -schlachtung war natürlich inzwischen gänzlich verboten. Leider war aus Rücksicht auf die kleine, aber natürlich auch total tolerierte und eingebundene, Gemeinschaft der Theo-Carnivoren Antiveganer, mit dem Satz im Glaubensbekenntnis "Ich werde nie wieder einem Tier das Futter wegfressen." auch das Verzehren jeglicher pflanzlicher Produkte verpönt. Man einigte sich in einer weiteren 6-wöchigen Globalfasten-Gesamtgläubigen-Meditation darauf, dass man ja jetzt schon lange genug nix mehr zu beißen bekommen habe und nun sei's ja wirklich auch egal. Einzelne Zweifler wurden mit Gebetsmühlen übertönt, die man aus ehemaligen Windkraftwerken umfunktioniert hatte. Man lebte fortan von der Energie des göttllichen Geistes allein - Entschuldigung: von den Energien aller der göttlichen Geister, die sowas wie göttliche Energie produzieren, und die, deren Götter das nicht tun, sind natürlich auch total dufte und bekommen was von der Energie der anderen Götter ab. Praktisch am absolut anti-carnovegetarischen Leben war auch die Tatsache, dass sich ein anderer anfänglicher Streit innerhalb der Globalökumene komplett erledigt hatte: Aber das hatte sich ja, wie gesagt, zum Glück erledigt. Genau wie auch die engverknüpfte Diskussion um die Feiertage. Man hatte mit drei bis vier Weihnachts-, Oster- und Paschafesten pro Jahr begonnen, sehr bald den Ramadan aufgenommen, Diwali und den Tag des heiligen Backenzahns hinzugefügt, Neujahr war eigentlich immer irgendwo und zu jedem Jahreszeitenwechsel gab man mehrtägige Beschwörungstanzveranstaltungen. Anfangs waren damit die üblichen Festessen einhergegangen. Aber das hielt man natürlich so nicht lange aus. Also fastete man fortan ganzjährig. Das war erstens viel spiritueller, und zweitens war sowieso nichts mehr zu essen da, denn bei 365 Feiertagen im Jahr arbeitete natürlich auch niemand mehr. Endlich also war es angebrochen das 1000-jährige… Ach, was sage ich, das ewige Reich himmlischen (oder unterirdischen, oder in-der-Papayafrucht-lebenden, oder wie auch immer) Friedens (oder Krieges für die Germanen, oder Spielens für die Antroposophen, oder… ) Und wenn Ihr mir nicht glaubt, meine Brüder und Schwestern, dann höret und sehet die Vorboten der Revolution in den folgenden Versen:
Du da, sag' ich, Du da!
Dahinten im Rock, ja die Kleine,
Weder Wurst noch Brühe hatter,
Und dann hier, der Kiffer, so'n richtiger Siffer,
Sein brennender Busch ist das brennende Gras.
Aber auch ein Grab voller Ahnen - das tut es
Und im Wald sag dann einfach mal lauthals "Danke", ...oder vielleicht nur zu Anke. |